Der heutige Tag hat eine neue Erkenntnis dem Thema „Schein oder Sein“ hinzugefügt. Und sie begrifft die Frage: Was ist Freiheit? Ich glaube, heute bin ich reif, eine Antwort auf diese Frage zu wagen.
Ich horchte heute Mittag dem Wasserrauschen an der Schwabach. Dort bildet sie einen kleinen Wasserfall. Das Wasser war sehr klar und duftete nach Frühling. Ich verweilte in einer meditativen Haltung, als ein kleines Mädchen auf mich zukam und erzählte, dass es gerne schwimmen würde. Es war ein Moment der Innigkeit und ich fühlte mich irgendwie berührt, Zeuge ihres eigentlich Selbstgesprächs zu werden. Auf einmal hörte ich die Stimme ihres Vaters, der sie ermahnte, dass sie nicht an das Wasser herangehen soll, da sie doch wisse, dass der jüngere Bruder ihr überall folgt. Sie trage doch auch die Verantwortung für ihren Bruder mit.
Eine harmlose Situation mit gravierender psychischer Wirkung. Das Mädchen wird diese Begebenheit höchstwahrscheinlich vergessen bzw. sie ist höchstwahrscheinlich bereits eine Normalität innerhalb dieser Familie. Die Folgen dieser Programmierung werden nicht verschwinden, es sei denn sie geht später – durch die Gnade des Schicksals – dem auf den Grund. Diese Programmierung wird sein: #1 Deine spontane Lust soll der Pflicht weichen, #2 du trägst – bereits als vierjähriges Kind – Verantwortung für die Erziehung deines Bruders mit; dass du damit überfordert bist, zählt nicht (und das war sie, denn sie hat sich danach zurückgezogen), #3 Objekt meiner oder fremder Erwartungen zu sein ist ok.
Das Mädchen wurde vom Vater als Objekt seiner eigenen Vorstellung behandelt. Sie lernt früh genug, ihre wahren Bedürfnisse und Träume nicht wahrzunehmen. Sie lernt eine Funktion zu sein. Funktion in der Familie, Funktion in der Schule, Funktion im Beruf, Funktion in der Beziehung.
Was ist dann Freiheit?
Freiheit ist, wenn ich aufhöre, eigene und/ oder fremde Vorstellungen von mir zu bedienen. Wenn ich aus der Funktion aussteige, bloß Objekt fremder/ eigener Vorstellungen zu sein. Wenn ich endlich bereit bin, das, was durch mich spricht, angstfrei zum Vorschein zu bringen und zu verkörpern.
Und dass dieses angeborene Recht als Mensch mir bereits in frühester Kindheit verweigert wird, spricht vom gravierenden Grad der Unfreiheit, die in der Gesellschaft als normal gilt, die sich selbst als frei bezeichnet.